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Paula Modersohn Becker in ihrem Atelier bei Bruenjes um 1905 copyright Paula Modersohn Becker Stiftung Paula Modersohn-Beckers „imaginäres Museum“ in ihrem Worpsweder Atelier, um 1905, copyright Paula-Modersohn-Becker-Stiftung

Musée imaginaire

Paris bot um 1900 eine Fülle von Zugängen zur bildenden Kunst. Den aktuellen Strömungen konnten Interessierte in Galerien und Salons nachspüren. Werke vergangener Epochen und ferner Kulturen waren in den Museen zu entdecken. Von ihnen ließ sich auch Paula Modersohn-Becker anregen. Exponate, deren „Einfachheit“ und „Größe“ sie besonders interessierten, wurden in zahlreichen Nachzeichnungen im Skizzenbuch festgehalten. Daneben erwarb sie eine Reihe Reproduktionen von Gemälden und Skulpturen, die sie bei der Arbeit im Atelier vor Augen haben wollte.    

Die technischen Voraussetzungen, um Kunstwerke in guter Qualität für ein breites Publikum zu vervielfältigen, wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen. Viele Künstlerinnen und Künstler griffen darauf zurück und gestalteten ihre Atelierwände mit Nachdrucken von Werken, die ihnen zur Inspiration dienten. Paul Gauguin etwa packte, bevor er in die Südsee aufbrach, zahlreiche Abzüge von Kunstwerken aus europäischen Museen in seinen Koffer, um auch in der Ferne mit ihnen arbeiten zu können. Paula Modersohn-Becker schuf sich ebenfalls ihr „imaginäres Museum“: Wie ein Foto des Worpsweder Ateliers aus dem Jahr 1905 zeigt, hingen dort zwischen Arbeiten der Künstlerin u. a. eine Reproduktion von Raffael und die Kopie eines Tondos von Andrea della Robbia. Aus den Erinnerungen von Otto Modersohn wissen wir, dass die Wände darüber hinaus mit gerahmten Drucken der neuesten französischen Malerei und Skulptur sowie außereuropäischer Kunst geschmückt waren. Zu letzteren gehörten aufwendig erstellte Fotografien javanischer Tempelreliefs. An deren sinnlich-sakralen Motivwelten zeigte sich Bernhard Hoetger „hochinteressiert“, als sie ihm diese 1906 in Paris vorlegte. Es verwundert nicht, dass auch Hoetgers Atelier mit Reproduktionen ausgestattet war. So ist auf einer um 1910 in Paris entstandenen Aufnahme zu sehen, dass er dort seinen neben eigenen Werken ein Gemälde von Henri Rousseau sowie den Gipsabguss der antiken Venus von Milo platziert hatte.

Beide Künstler versammelten in ihrem „imaginären Museum“ Werke vergangener Zeiten und verschiedener Kulturen gleichranging neben der neuesten französischen Kunst. Deren Zusammenspiel löste im Sinne der Moderne bestehende Kunsthierarchien auf und gab sowohl der Malerin als auch dem Bildhauer entscheidende Anregungen für ihren künstlerischen Weg.  

 - Simone Ewald, Paula-Modersohn-Becker-Stiftung und Kuratorin der Ausstellung »AVANTGARDE - Bernhard Hoetger & Paula Modersohn-Becker in Paris«

  • Nachempfundenes Musée imaginaire von Paula Modersohn-Becker in der Ausstellung AVANTGARDE, Foto: Patric Leo
  • Fotoaufnahme von Bernhard Hoetgers Pariser Atelier

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