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P1000545 Nahaufnahme Tilman Riemenschneider, Beweinung Christi, um 1515, Museen Böttcherstraße, Ludwig Roselius Museum

Beweinung Christi von Tillman Riemenschneider

Um 1515 entstanden, handelt es sich bei der Beweinung Christi des Holzschnitzers Tilman Riemenschneider (um 1460–1531) um eines der ältesten Werke im Ludwig Roselius Museum. Der Bremer Kaffeekaufmann und Erfinder des koffeinfreien Kaffees Ludwig Roselius erwarb die bedeutende Skulptur 1930 für sein zwei Jahre zuvor eröffnetes Museum. Die Beweinung Christi zeigt den Moment der Kreuzabnahme: Jesus, Maria und Johannes sind hintereinander gestaffelt und auf eine frontale Ansicht ausgelegt, da die Rückseite nicht ausgeformt ist. Möglicherweise schuf Riemenschneider die Skulptur für eine Altarnische. Die Figuren teilen sich einen Umriss und wirken konzentriert und geschlossen im Moment stillen Leidens. Mit der Darstellung von Emotionen, insbesondere des Leids, in der Skulptur etabliert Riemenschneider an der Schwelle von Mittelalter zur Renaissance ein neues Menschenbild.

Tilman Riemenschneider, Beweinung Christi, um 1515, Ludwig Roselius Museum, Museen Böttcherstrasse

Wird die Idee des Künstlers im Aufbau, in Ausdruck und Haltung der Figuren greifbar, so muss man sich doch bewusst machen, dass die Skulptur heute nicht mehr so aussieht wie zu ihrer Entstehungszeit. Am augenfälligsten sind die zahlreichen kleinen Löcher und Risse, die das Holz durchziehen. Dabei handelt es sich um Fraßgänge, die von einem früheren Anobienbefall (Wurmfraß) stammen, erklärt Restauratorin Julia Tholen. Die Schädlinge ernähren sich von Holz und graben sich durch das Material. Der Befall ist jahrzehnte-, vermutlich sogar jahrhundertealt. Darauf deuten die Fraßgänge hin, die bei einem akuten Anobienbefall scharfkantige Ausflugslöcher aufweisen würden. Und etwas weiteres verraten die Fraßgänge: anhand ihrer länglichen Form, die parallel zur Oberfläche verläuft, schließt Julia Tholen, dass die Skulptur wie im Mittelalter üblich ursprünglich bemalt war. Die Farbe, oft Bleifarbe, war für die Anobien nicht genießbar, weshalb sie sich zwischen Holz und Farbe entlangfraßen. Dabei entstanden die länglichen Fraßgänge, die die Oberfläche der Skulptur heute prägen, so Tholen. Für eine Bemalung spricht auch, dass die Skulptur aus vier großen, miteinander verbundenen Holzblöcken gefertigt und Teile der Gewänder nicht plastisch bearbeitet wurden. Diese Stellen wurden im Mittelalter von einem Fassmaler bemalt.

Wurmfraß an der Skulptur ermöglicht Rückschlüsse für Restauratorin Julia Tholen

Wer die Bemalung wann entfernte, ist nicht bekannt. Im 19. und auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden oftmals auch Restauratoren damit beauftragt, die Malschicht abzutragen, um das Schnitzwerk freizulegen. Dabei spielte die Antikenrezeption eine Rolle. Dass antike Skulpturen oftmals auch bemalt waren, wusste man damals noch nicht. Folglich prägten Restaurierungen in entscheidender Weise Kunstverständnis und Kunstgeschmack. Dies zeigt, wie wesentlich Austausch und Zusammenarbeit mit Restauratorinnen und Restauratoren sind, um die Geschichte von Kunstwerken zu erforschen. Die restauratorische Praxis ist heute vom Grundsatz der Reversibilität geprägt, sagt Julia Tholen. Das bedeutet, dass restauratorische Veränderungen in der Regel sichtbar bleiben und rückgängig gemacht werden können. Alterungsspuren gehören zur Geschichte eines Werkes, so die verbreitete Ansicht. Den Zustand der Werke stabil zu halten und ggf. vorbeugend tätig zu werden, ist die Aufgabe der Restaurierung. Das gilt insbesondere für Arbeiten aus Holz, wie Riemenschneiders Beweinung. Holz ist ein organisches Material, das auf Schwankungen in der Luftfeuchtigkeit oder Temperatur reagiert, erklärt Julia Tholen. Bei Veränderungen vor allem in der Luftfeuchte kann es sich dehnen oder zusammenziehen. Daher ist die Stabilität des Raumklimas so wichtig, um den Zustand der Skulptur zu erhalten, die seit fast 100 Jahren zu den Meisterwerken des Roselius Museums zählt.  

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